Gefährdung der Steuerbefreiung eines Immobilienkaufs durch Erlöschen des Kindergeldanspruchs und durch vorzeitigen Auszug

(Stand: 30.09.2016)

In einem Fall, über den jüngst das Finanzgericht Baden Württemberg entschied (Urteil vom 4.4.2016; 8 K 2166/14), müssen Eltern, die ihrer Tochter während deren Studiums eine Wohnung zur Verfügung stellten und im Anschluss verkauften, den Veräußerungsgewinn versteuern.

§ 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Satz 4 EStG regelt zwei Ausnahmen von der 10-Jahres-Frist des Satzes 1 wie folgt: Die Immobilie wurde „im Zeitraum zwischen Anschaffung/Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt“.

Die Steuerbefreiung scheiterte daran, dass die Kindergeld- bzw. Freibetragsberechtigung für die Tochter noch vor dem Verkauf der Wohnung wegen Überschreitens der Altersgrenze (Erreichen des 25. Lebensjahrs) erlosch. Nach Ansicht des Finanzamts als auch des Finanzgerichts entfiel dadurch eine der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung des Gewinns aus der Veräußerung einer privaten Immobilie, nämlich die der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Von der Rechtsprechung ist anerkannt, dass – auch wenn in § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Satz 4 EStG so nicht ausdrücklich geregelt - eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch dann vorliegt, wenn Eltern eine Wohnung einem Kind unentgeltlich überlassen, für das sie einen Anspruch auf Kindergeld bzw. einen Kinderfreibetrag haben. Die nach dem Erlöschen des Anspruchs ggf. noch weiterbestehende zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern reiche nicht aus, wie das Finanzgericht unter Verweis auf die BFH-Rechtsprechung ausführte.

Eine Besonderheit des Falls besteht darin, dass die Tochter etwa einen Monat vor dem Vollzug des Verkaufs durch Übergabe der Wohnung an den Käufer eine andere Wohnung bezog, die sie frisch verehelicht mit ihrem Mann gekauft hatte. Bis zur Übergabe der Wohnung ließ die Tochter darin noch Möbel und eine Waschmaschine stehen. Das Gericht beschäftigte sich daher mit der Frage, ob eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken noch zu bejahen ist, wenn die Immobilie bis zur Übergabe an einen Käufer zwar noch zu eigenen privaten Zwecken, aber nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt wird. Das Gericht stellte dabei wesentlich darauf ab, ob das Tatbestandsmerkmal „ausschließlich“, das nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 4 EStG eigentlich nur Teil der 1. Alternative zu sein scheint, auch für die 2. Alternative gilt. Es diskutierte also die Frage, ob die 2. Alternative erfordert, dass eine Immobilie bis zur Veräußerung zu eigenen Wohnzwecken oder ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Wenn das Ausschließlichkeitserfordernis nicht auch für den 2. Befreiungstatbestand gilt, kann wohl nach Ansicht des Gerichts ein vorzeitiger Auszug unter zeitweiliger Zurücklassung von Möbeln etc. noch als eine Nutzung zu Wohnzwecken angesehen werden.

Das Finanzgericht vertritt die Ansicht, dass das Ausschließlichkeitserfordernis für beide Befreiungstatbestände gilt, und begründet dies damit, dass die Formulierung der Regelung eine Erstreckung auf die 2. Alternative zulasse und nicht ersichtlich ist, weshalb das Ausschließlichkeitserfordernis im Lichte des Sinn und Zwecks der Regelung nicht auch für die 2. Alternative gelten sollte.

Daran gemessen sah das Finanzgericht auch die Voraussetzungen der 2. Alternative als nicht erfüllt an, weil die Wohnung zwischen dem Erreichen der Altersgrenze weder ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt wurde noch leerstand.